Walter Ludwig Eberts Bilder gleichen offenen Systemen. Sie bilden eine
eigene, autonome Welt, die weder bei der Entstehung noch bei der
Betrachtung Einschränkungen unterliegt.
Ihr Werdegang ist den Bewegungen in einem vielfältig verästelten Straßennetz
vergleichbar.
Bei jeder Weggabelung trifft der Künstler aufs neue die Entscheidung, in wel-
cher Richtung er nun weitergehen will. Es existiert freilich keine Karte mit
vorgezeichneten Wegen und sicheren Zielangaben – Eberts
bildnerische Topografie entsteht erst im Malprozeß selbst. Sie kann von
gestisch-informellen Spuren ebenso geprägt sein wie von konstruktiv-
geometrischen Elementen. Das Experimentieren mit Gegensätzen ist Eberts
wichtigstes Prinzip.
Die Offenheit des künstlerischen Vor-Gehens teilt sich dem Betrachter mit,
der die einzelnen Schritte und Bewegungen dank der von Ebert angewandten
Techniken nachvollziehen kann. Spontan gesetzte Farbspuren ermöglichen die
Rekonstruktion eines zumeist von Rhythmik und Dynamik gekennzeichneten
Malvorgangs, der Rückschlüsse auf die Verfaßtheit des Künstlers bei der
Arbeit erlaubt.
Ebert ist Maler selbst dann, wenn er auf Papier arbeitet. In der Heftigkeit des
Schaffensprozesses kann es geschehen, daß er, mit dem Pinselstiel
zeichnend, die Oberfläche des Blattes verletzt. Mitunter reißt er die
oberste Schicht des Papieres ab, was nicht nur überraschende Formen
freilegt, sondern auch neue Oberflächenqualitäten hervorruft, wenn
beispielsweise papierrauhe Partien an acrylglänzende Stellen stoßen.
Nicht nur der Pinsel, jeder Gegenstand kann Ebert als Instrument dienen.
Stoffreste werden zu Wischungen verwendet – und gelegentlich auch als
Kompositionselemente in ein Gemälde integriert, ähnlich wie Papiere oder
Fotos. So wie die Balance, oder besser: die Konkurrenz zwischen gezielter
Setzung und dem Spiel mit dem Zufall bei der Wahl der formalen Mittel
zum Tragen kommt, streiten sich auf inhaltlicher Ebene Gegenstand und
Abstraktion um die Vorherrschaft – ein soeben gewonnener Kopf wird mit
einer neuen Farbschicht zugedeckt, und zufällig entstandene Farbspuren
können zu Landschaften oder springenden Fischen umgedeutet werden.
Jeder Schritt, jede Bewegung, jede Entscheidung birgt bei Walter Ludwig
Ebert ein hohes Risiko. Aus diesem Risiko gewinnt er die Lust am Schaffen,
und dieses Risiko teilt sich dem Betrachter als bildgewordene Spannung mit.